Veröffentlicht am
Lesedauer ca. 14 Minuten

Erfolgsfaktoren und mögliche Fallstricke auf dem Weg zu einer privaten Psychotherapie-Praxis

Theresa Horst
Name
Theresa Horst

Vorstellung

Eine eigene Praxis war ehrlich gesagt nie mein Plan! Klinik empfand ich nach den vier Jahren stationärer Arbeit jedoch nicht mehr als attraktive Option.
Theresa
Theresa kommt aus dem ländlichen Vogelsberg in Hessen und hatte früh den Traum von einem spannenden Beruf. Ursprünglich wollte sie Tierärztin oder Gerichtsmedizinerin werden, entschied sich aber nach einem Schülerpraktikum in der Psychiatrie für den sozialen Bereich. Sie studierte in Marburg Erziehungswissenschaften und Psychologie. Danach sollte es wohnörtlich etwas Großes, die Hauptstadt, sein. In Berlin begann sie ihre Ausbildung zur Verhaltenstherapeutin und approbierte 2021. Mittlerweile lebt sie mit Partner und Zwergdackelhündin Mala in Hamburg, wo sie seit 2022 ihre eigene Privatpraxis (Homepage) betreibt. Wir haben Theresa über den Tepavi-Mitgründer René Papenfuß kennengelernt.
Theresa Horst schildert in diesem Bericht Ihren Weg zur Eröffnung Ihrer Hamburger Privatpraxis. Falls Ihr mehr über Theresa erfahren wollt, schaut doch auf Ihrer Praxis-Homepage (theresahorst.de) vorbei.
Theresa Horst schildert in diesem Bericht Ihren Weg zur Eröffnung Ihrer Hamburger Privatpraxis. Falls Ihr mehr über Theresa erfahren wollt, schaut doch auf Ihrer Praxis-Homepage (theresahorst.de) vorbei.

Bericht

Ich habe die Therapieausbildung in einem speziellen Vollzeitmodell gemacht, in welchem der Ausbildungsplatz an eine unbefristete Vollzeitstelle als Bezugstherapeutin in einer Klinik geknüpft war. Ein Vorteil davon war, dass die Ausbildung weitgehend kostenfrei für mich blieb. Ein Nachteil lag darin, dass viele Ausbildungsinhalte außerhalb der 40-Stunden-Arbeitswoche untergebracht werden mussten. So auch die Vorbereitung auf die Approbation. Es war insofern nach den Prüfungen entlastend, keinen Lernstress mehr nach Feierabend zu haben. Sonst habe ich aber weiter von 8 bis 17 Uhr in der Klinik gearbeitet – diesbezüglich hatte sich nichts verändert durch die Approbation. Für mein Inneres hingegen schon. Das Ziel, auf welches ich so viele Jahre hingearbeitet hatte, war nun plötzlich erreicht. Approbation stand seit meinem 20. Lebensjahr immer als Ziel über allem und war meist irre weit weg. Jetzt war es geschafft! Und nun? Ich hatte mir lange keine Gedanken mehr gemacht (wahrscheinlich fast 10 Jahre nicht), was ich nach oder mit meiner Approbation eigentlich machen wollen würde – ein großes Fragezeichen in meinem Kopf. Die mir gestellte Aussicht auf eine Leitungsstelle in der damaligen Klinik reizte mich nicht wirklich. Ich wollte noch Neues kennenlernen. Ich kündigte daher meine Stelle ohne neue berufliche Perspektive. Nach all der Anstrengung sehnte ich mich nach einer Auszeit. Ich plante einen Umzug von Berlin nach Hamburg, dem Sehnsuchtsort meiner Jugend, und erfüllte mir einen tiefen Wunsch mit dem Einzug meiner Zwergdackelhündin Mala. Und dann machte ich einfach erstmal gar nichts für ein halbes Jahr (fantastisch!). Als ich mich schließlich wieder motiviert und bereit für das Arbeitsleben fühlte, fing ich an, Stellenausschreibungen durchzuschauen und bewarb mich einfach querbeet. Das Angebot empfand ich als recht groß, auf Bewerbungen erhielt ich schnell positive Resonanz. Der Markt schien also voll, die Chancen gut. Ich fing kurzerhand als Angestellte in einer Privatpraxis an und fand Gefallen daran …

Gründung der eigenen Privatpraxis

Eine eigene Praxis war ehrlich gesagt nie mein Plan! Klinik empfand ich nach den vier Jahren stationärer Arbeit jedoch nicht mehr als attraktive Option. Ich erlebte die Strukturen und Bedingungen dort häufig als starr und für mich persönlich unbefriedigend. Mit meiner Hündin wurde Klinikarbeit durch die fehlende Flexibilität noch uninteressanter (wobei zu meiner Überraschung einige Kliniken, bei denen in mich beworben hatte, offen für Mala als Therapiehündin gewesen wären). Ich entschied mich also für ambulantes Arbeiten. Auch inhaltlich, denn ich hatte Lust, Patient:innen längerfristig und alltagsnah zu begleiten. Dennoch wollte ich auf ein Team und Kollegialität, was ich in meiner Klinikzeit zu schätzen gelernt hatte, nicht verzichten. Das erschien mir für den Alltag zu langweilig und einsam. In der Anstellung in einer ambulanten psychotherapeutischen Praxis merkte ich dann jedoch recht schnell, dass mein Teamgedanke nicht wirklich aufging. Jede:r empfing in seinem/ ihrem Raum seine/ihre Patient:innen und mit Glück gab es kurze Begegnungen in der Küche. Und so fasste ich ziemlich spontan den Entschluss, mich selbstständig zu machen. Warum? Ich fand die Vorstellung, mehr Freiheitsgrade zu haben und vieles – auch im Sinne einer guten Work-Life-Balance – selbst gestalten zu können, großartig. Die Sorgen vor Vereinsamung löste ich mit der Entscheidung, mich in einer „Bürogemeinschaft“ niederzulassen, wo sowohl Therapeut:innen also auch fachfremde Menschen arbeiten. Und eine gute Intervisionsgruppe ist auch Gold wert!

Ganz ungeschönt hatte mein Weg in die Selbstständigkeit auch finanzielle Gründe. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder und jedem von uns nach all der Anstrengung (monetär, psychisch, physisch) und dem langen Bildungsweg eine faire Bezahlung zusteht.

Auf einen Kassensitz habe ich mich nicht beworben, da hierfür bei Übernahme meist eine recht hohe Summe, insbesondere in Großstädten, gezahlt werden muss. Neben den fraglichen “Chancen” wäre mir das eine Portion zu viel Commitment gewesen. Auch die vielen Vorschriften und Regularien, welche in der Regelversorgung als Kassentherapeut:in erfüllt werden müssen und von außen undurchsichtig wirken, haben mich erst einmal abgeschreckt.

Zum Schluss noch eine Schwärmerei: ich schätze an der Selbstständigkeit die vielen freien Entfaltungsmöglichkeiten, die letztlich Abwechslung ermöglichen. So suche ich mir Weiterbildungen aus, auf die ich Lust habe und bilde mich in den Bereichen fort, die mich interessieren. Darüber hinaus sind auch „zweite Standbeine“ neben der Privatpraxis möglich. Ich werde z. B. gerade Sachverständige im Familienrecht, um neben meiner therapeutischen Arbeit auch psychologische Gutachten für das Familiengericht zu erstellen. Andere arbeiten zusätzlich als Supervisor:innen, Dozent:innen, Yogalehrer:innen, u. v. m.

Was ich vorher gerne gewusst hätte

Ganz ehrlich? Ich empfinde die Selbstständigkeit bis heute als „keine große Sache“. Echte Überraschungen gab es nicht. Und das Schöne ist ja, dass es im Vergleich zu anderen Branchen für den Start nicht allzu viel braucht. Dadurch fühle mich frei, die Entscheidung jederzeit wieder rückgängig machen zu können und theoretisch in eine Anstellung zurückzukehren. Das macht es für mich sehr entspannt. Was hätte ich vielleicht trotzdem vorher gerne gewusst?

Durch die Entscheidung zur Selbstständigkeit ist wenig im Außen vorgegeben. Es gibt viele Freiheiten und Flexibilitäten und es stehen eine Vielzahl an Informationen zur Verfügung. Das ist gut, kann aber auch überfordernd sein. Denn einen eindeutigen Weg gibt es nicht – von der Praxisstruktur und -organisation (z. B. Praxissoftware, Datenschutz, Abrechnungsmodalitäten, brandaktuell das Thema der Anwendung von unterschiedlichen Steigerungssätzen in der GOP) bis hin zu den eigenen Versicherungen. Ich habe mich zugegebenermaßen manchmal etwas verloren gefühlt und war schlichtweg erschlagen von den vielen Optionen – bei gewisser Orientierungslosigkeit. Mein Tipp: Erfinde das Rad zu Beginn Deiner Selbstständigkeit nicht neu. Frag Leute aus Deinem Umfeld, die sich selbstständig gemacht haben und orientiere Dich zunächst an Vorlagen. Als Mitglied bei der DPtV findest Du in der Wissensdatenbank z. B. gute Vorlagen für einen Therapievertrag, eine Honorarvereinbarung oder eine Schweigepflichtsentbindung.

DPtV Infos

Die DPtV hat ein breites Informationsangebot und Vorlagen für die freiberuflich Tätigkeit als Psychotherapeut:in und die Eröffnung einer Privatpraxis. Zudem gibt es in der DPtV Mailingliste für Privatpraxen viel Austausch und Input.

Was außerdem besonders zu Beginn aufwendig ist, ist die mangelnde Einheitlichkeit von diversen Prozessen wie z. B. der Therapiebeantragung bei den verschiedenen Versicherungsträgern. Teilweise existieren sogar Besonderheiten von Bundesland zu Bundesland, welche entsprechend neu erschlossen werden müssen. Den Kontakt mit Kostenträgern habe ich dabei leider nicht immer kooperativ und wohlwollend erlebt. Das kann dann schon mal einige Nerven kosten.

Was dadurch vielleicht bereits auch schon deutlich wird: Selbstständigkeit geht einher mit Schreibtischarbeit, Telefonaten, etc. Im “Alltagsgeschäft” sind das in der Regel Therapieanträge wie kurze Formblätter, Berichte für das Gutachterverfahren (Langzeittherapien, Kostenerstattung), kurze Bescheinigungen, angeforderte Zwischenberichte, Befundberichte für stationäre Aufnahmen oder für Rentenversicherungen. Dazu kommt dann noch Buchhaltung oder z. B. Steuererklärung, was selbstverständlich auch extern ausgelagert werden kann. Ich schreibe Rechnungen eigenständig, dafür nehme ich mir meist einen Vor- oder Nachmittag im Monat. Auch die Steuerklärung mache ich bisher selbst, dafür plane ich dann ein “Steuererklärungs-Wochenende“. Für mich persönlich ist das ein angenehmer Ausgleich zu Therapiesitzungen. Andere empfinden das aber auch einfach nur als lästig.

Worüber ich mir vorher wenig Gedanken gemacht habe, ist der Verdienstausfall, welcher sowohl durch Patient:innen, die kurzfristig absagen, als auch durch mich selbst (z. B. durch Krankheit) verursacht werden kann. Das löst bei mir manchmal Druck und auch Unsicherheit aus. Ach ja, und zum Thema Unsicherheit – Therapieanfragen kommen wellenartig. Mal keine, mal ganz viele. Daran musste ich mich definitiv auch gewöhnen.

Ein weiterer Punkt, mit dem ich mich erst im Verlauf beschäftigt habe, ist Gruppenpsychotherapie, die mir eigentlich total Spaß macht und die ich gerne anbieten würde. Bei den privaten Versicherungen und im Kostenerstattungsverfahren scheinen Gruppentherapien oder Kombinationsbehandlungen nicht typisch zu sein, sodass Beantragungsprozesse und Kostenbewilligungen mit Komplikationen verbunden sein können. Dies führt schließlich auch zu Herausforderungen bzgl. der Planbarkeit. Leider ist Gruppenpsychotherapie darüber hinaus mit der Gebührenordnung für Psychotherapeuten (GOP) als Berechnungsgrundlage für eine Privatpraxis finanziell eher unattraktiv. Die Entlohnung steigt zwar mit wachsender Gruppengröße, bei geringer Gruppengröße < 5 gleicht das Honorar einer VT-Gruppentherapie allerdings dem einer Einzelsitzung. Einige nutzen deshalb als Option für gruppentherapeutisches Arbeiten Psy-RENA, die Reha-Nachsorge der DRV.

Mein Vorgehen

Für die Gründung einer Privatpraxis gibt es natürlich ganze Ratgeber inkl. Erstellung eines Businessplans oder Wochenend-Workshops, die dazu besucht werden können. Ich habe ehrlich gesagt einfach gestartet und würde im Nachhinein sagen, dass es auch so geht. Ich hatte aber auch Freund:innen an der Seite, die mir den Schritt der Selbstständigkeit schon voraus waren und die ich jederzeit löchern durfte. Im Folgenden möchte ich die wichtigsten Schritte mit Dir teilen. Beachte dabei bitte, dass das meine Schritte waren und kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht.

  • Suche nach einem Praxisraum. Ich habe einfachheitshalber mithilfe der gängigen Internetportale direkt nach Gewerberäumen geschaut. Es besteht auch die Möglichkeit, private Räume als Praxis zu nutzen, die Anforderungen kenne ich jedoch nicht. Bei der Standortwahl habe ich insgesamt darauf geachtet, dass es (vermutlich) ausreichend Therapiesuchende gibt, eine gute Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel besteht und Parkplätze vorhanden sind.
  • Anmeldung beim Finanzamt, um eine Steuernummer zu erhalten. Ich habe vier Monate auf meine Steuernummer gewartet, daher empfehle ich Dir, Dich rechtzeitig darum zu kümmern. Heilbehandlungen sind übrigens nach § 4 Nr. 14 a Umsatzsteuergesetz- UStG nicht umsatzsteuerpflichtig
  • Meldepflicht bei Deiner Psychotherapeutenkammer und dem Versorgungswerk, wobei eine E-Mail ausreicht.
  • Meldepflicht bei der BWG (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege) und Anmeldung des Rundfunkbeitrags.
  • Anschaffung von Praxisinventar. Wichtig ist hierbei ein abschließbarer Aktenschrank. Außerdem braucht es neben den Basics wie Sitzgelegenheiten und einem Schreibtisch auch einen Laptop, die Einrichtung eines E-Mail-Kontos, telefonische Erreichbarkeit, einen Drucker sowie einen Praxisstempel.
  • Anfertigung eines Praxisschildes, wobei die Berufsordnung Vorgaben zum Inhalt gibt (siehe § 23 Abs. 1 bis 3.).
  • Abschluss einer Kranken- und Pflegeversicherung sowie einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung sind Pflicht (die Barmenia bietet z. B. eine Haftpflichtversicherung speziell für Psychotherapeut:innen an, die für DPtV-Mitglieder:innen ermäßigt abgeschlossen werden kann).
  • Weitere Versicherungen wie z. B. eine private Berufsunfähigkeitsversicherung, Rechtsschutzversicherung, berufliche Unfallversicherung, Krankentagegeldversicherung, Inhaltsversicherung für das Praxisinventar und private Altersvorsorge können nach eigenem Ermessen abgeschlossen werden. Pluswert berät z. B. als unabhängiger Versicherungsmakler mit Spezialisierung auf Psychotherapeut:innen zu allen Versicherungsthemen, Stöver Finanzplanung in Kooperation mit der DPtV speziell zur Altersvorsorge für Psychotherapeut:innen. Ich persönlich habe mich für einen unabhängigen Honorarberater bzgl. meiner Altersvorsorge entschieden.
  • Eröffnung eines Geschäftskontos. Typisch für unsere Berufsgruppe ist die apoBank. Ich habe mich für eine Onlinebank mit Smartkonto entschieden, da ich hier Unterkonten anlegen kann, wo ich z. B. monatlich schon die Steuern beiseite lege.
  • Entscheidung für ein Verwaltungssystem, z. B. eine Praxissoftware.
  • Start der Patient:innenakquise (berufswidrige Werbung wie z. B. irreführende Heilversprechen oder Vergleiche ist allerdings verboten, siehe § 15 Abs. 1, e). Ich habe zur Gewinnung neuer Patient:innen eine Homepage erstellt (für die ich die ersten beiden Wochen meiner Selbstständigkeit eine Google-Ads-Kampagne eingerichtet hatte) und mich in Suchmaschinen/ -portalen angemeldet. Außerdem habe ich Visitenkarten anfertigen lassen, die ich in Arztpraxen in meinem Stadtteil ausgelegt habe. Darüber hinaus empfehle ich Beziehungspflege zu Netzwerken innerhalb des Stadtteils.

Siggi Newsletter

💌
Gesicht von Joanna
Gesicht von Malte
  • Artikel & Tipps zur Approbationsprüfung
  • Nützliche Artikel für junge Approbierte
  • 1x im Monat
Noch nicht sicher? Wir schicken Dir keinen Spam! Schau Dir unsere bisherigen Newsletter an.
Vielleicht fragst Du Dich jetzt, wer eigentlich alles in eine Privatpraxis kommt? Die Patient:innen in meiner Privatpraxis sind Privatpatient:innen (inkl. Beihilfeempfänger:innen wie z. B. Beamt:innen), Polizist:innen und Soldat:innen über die Heilfürsorge sowie Selbstzahler:innen. Ein paar mehr Infos dazu habe ich auch auf meiner Homepage für Therapiesuchende zusammengefasst. Da mir soziale Gerechtigkeit wichtig ist und die Versorgungslage bekanntermaßen nicht optimal ist, biete ich außerdem Psychotherapie für gesetzlich Versicherte über das sog. Kostenerstattungsverfahren an. Das ist dann möglich, wenn ein:e Patient:in trotz angemessener Suche keinen Therapieplatz mit zumutbarer Wartezeit in einer Kassenpraxis erhält. Kostenerstattung ist allerdings zunehmend aufwendig, manchmal langwierig und mit Komplikationen verbunden. Ich habe daher v.a. in meiner Gründungszeit und mit viel freier Kapazität zig Therapieanfragen von gesetzlich Versicherten an Tepavi von PsySolutions, welche zum damaligen Zeitpunkt ihre Testphase hatten und kostenlos waren, weitergeleitet. Diese übernehmen nach Vergabe eines Anmeldecodes den gesamten Prozess der Kostenerstattung inkl. Kontakt zur Terminservicestelle, den Patient:innen sowie den Krankenkassen. Das erspart viel Arbeit und gleichzeitig gab es bei mir persönlich eine 100 % Erfolgsquote, d. h. alle Anträge wurden bewilligt. Was will man mehr?

Daneben besteht die Möglichkeit zu sog. Selektivverträgen mit gesetzlichen Krankenversicherungen wie der BKK VBU oder BahnBKK. Über solche Verträge ist eine direkte Behandlung dieser Versicherungsnehmer:innen an der Kassenärztlichen Vereinigung vorbei möglich. Die finanziellen Konditionen sind im Vergleich zu den Standardsätzen im KV-System etwas ungünstiger. Viele nutzen Selektivverträge trotzdem, um die Praxiskapazität auszulasten und weil der bürokratische Aufwand gering ist. Darüber hinaus sind weitere Sonderverträge möglich, z. B. mit ICAS, einer externen Mitarbeiter:innenberatung. Das sind dann keine Psychotherapien, sondern Onlineberatungen über einen gewissen Zeitraum, die ähnlich wie Therapie vergütet werden. Auch arbeiten einige (zusätzlich) als Honorartherapeut:innen bei MindDoc, einem Tochterunternehmen der Schönkliniken, welches Online-Therapie anbietet. Ich persönlich habe mich aufgrund der Vergütung dagegen entschieden.

Also kurz zusammengefasst: Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, an Hilfesuchende zu gelangen und je nach Standort mit einer reinen Privatpraxis zu überleben. Meine Praxis in Hamburg ist bereits mit Privatpatient:innen, Selbstzahler:innen und Kostenerstattung von gesetzlich Versicherten gut ausgelastet. Viele, die ich im Erstgespräch frage, wie sie auf mich aufmerksam geworden sind, geben Google oder therapie.de an. Ein Google-Unternehmensprofil habe ich auch, aber keine Bewertungen. Das scheint also nicht allzu relevant zu sein. Insgesamt hat es bei mir drei Monate gedauert, bis die Praxis voll ausgelastet war.

Die Realität: Zeitaufwand, Kosten & Einnahmen

Ich arbeite zur Zeit 5 Tage die Woche. Einen typischen Ablauf habe ich nicht, da ich lange und kurze Tage arbeite und die Zeiten variieren. An den langen Tagen plane ich sowohl vormittags als auch nachmittags jeweils einen „Therapieblock“ mit mehreren hintereinanderliegenden Sitzungen zur vollen Stunde und dazwischen einen größeren Zeitraum für Mittagspause und Büroarbeit. An den kürzeren Tagen plane ich hingegen keine Pause oder Bürozeit ein, sondern ausschließlich einen Therapieblock mit mehreren hintereinanderliegenden Therapiestunden, entweder vor- oder nachmittags. Je nach Patient:innengruppe sind unterschiedliche Tageszeiten attraktiv. Stundent:innen kommen z. B. gerne vormittags, Berufstätige eher nach Feierabend in den Nachmittags- und Abendstunden. Insgesamt komme ich damit durchschnittlich auf etwa 25 Therapiestunden pro Woche, dafür braucht es etwa ⅓ mehr Patient:innen (da man z. B. nicht alle Patient:innen wöchentlich sieht). Geschätzt entspricht das in einer normalen Woche ungefähr einer 32-Stunden-Woche. Das ist aber abhängig vom Ausmaß der anstehenden “Schreibtischarbeit” und schließlich von kurzfristigen Absagen. Und manches verschwimmt bei mir tatsächlich auch durch die Selbstständigkeit, wobei ich diese Freiheit voll ausschöpfe. Eine striktere Trennung von Berufs- und Privatleben wäre aber sicher möglich, wenn gewünscht.

Die laufenden Kosten für den Betrieb einer privaten Psychotherapiepraxis beinhalten in der Regel:

  • die Miete (je nach Ort und Mietobjekt kenne ich Monatsmieten von 300 bis 1500 €),
  • den Mitgliedsbeitrag bei der Psychotherapeutenkammer (ca. 1000 € jährlich),
  • den Beitrag an das Versorgungswerk (für Selbstständige existiert ein monatlicher und einkommensabhängiger Regelpflichtsatz zwischen ca. 400 und 700 €, freiwillige Mehrzahlungen sind möglich, um die spätere Rente zu erhöhen),
  • die eigene Kranken- und Pflegeversicherung (zwischen 500 und 1000 € je nach GKV oder PKV) und die Berufshaftpflichtversicherung (bei mir 78 € jährlich).
  • Weitere freiwillige Versicherungen und private Altersvorsorge
  • freiwillige Mitgliedschaften (bei mir z. B. die DPtV mit 395 € jährlich und das Portal therapie.de mit 99 € jährlich)
  • evtl. eine Praxissoftware sowie Videosprechstunde
  • Ausgaben für Bürobedarf etc.
  • Kosten für Supervision und/ oder Weiterbildungen

Die Einnahmen sind natürlich abhängig von den geleisteten Therapiestunden. Nach der GOP, welche Privatpraxen zugrunde liegt, wird eine Therapiesitzung je nach Steigerungssatz mit 100,55 bis 153,00 € in Rechnung gestellt. Bei einer Beispielrechnung mit 25 Patient:innen pro Woche kommst Du also auf Brutto > 10.000 € im Monat, nach Abzug der laufenden Kosten und der Steuern kannst Du Netto mit grob 40 % rechnen. Genauer gesagt: je mehr über die Festausgaben hinaus eingenommen wird, desto höher ist der zu versteuernde Betrag und um so mehr bleibt übrig. Urlaube, Krankheit usw. reduzieren den Betrag natürlich entsprechend. Dazu können dann noch Einnahmen aus möglichen Nebentätigkeiten kommen. Im Vergleich dazu liegt das Gehalt für eine Vollzeitstelle in einer Klinik meist irgendwo zwischen 2500 und 3500 € netto, mit zunehmender Erfahrung ist auch mehr möglich. Anstellungen in ambulanten Praxen laufen nach sehr unterschiedlichen Honorarmodellen ab, wodurch die Gehälter variieren, meiner Einschätzung nach im Durchschnitt aber einem Klinikgehalt ähneln.

Alles in allem ist mein Fazit, dass ich es jederzeit wieder tun würde! Wem Selbstverwaltung liegt, wer hohe Freiheitsgrade liebt, vielleicht sogar Nebentätigkeiten anstrebt und dabei zunächst einige Unsicherheiten in Kauf nimmt, kann glaube ich wirklich glücklich werden mit einer Privatpraxis.

Teilen

Siggi Newsletter

💌
Gesicht von Joanna
Gesicht von Malte
  • Artikel & Tipps zur Approbationsprüfung
  • Nützliche Artikel für junge Approbierte
  • 1x im Monat
Noch nicht sicher? Wir schicken Dir keinen Spam! Schau Dir unsere bisherigen Newsletter an.